NEUE STADTQUARTIER WINNENDEN
The English text is below.
Kritik an der Funktionstrennung und Monopolisierung von Raum
Umwälzungen waren oft der Anstoß neue Leitbilder zu entwickeln. Das prägendste Leitbild, welches die neuzeitlichen Stadtplanungstheorien dominierte, war das Leitbild der Strukturordnung. Die daraus resultierenden, nach Funktionen getrennten Stadtmodelle wie u.a von Ludwig Hilberseimer propagiert, tragen längst dem Wandel der Post- Industriellen Gesellschaft ungenügend Rechnung. Die darauf, mit dem Ziel eine durchmischte und stimulierende Stadt zu entwerfen, entwickelten Modelle haben oft gemein, dass Sie durch das Zusammenfassen von Funktionen innerhalb großer Volumina nur ungenügend die individuelle Partizipation der Nutzer und damit die tatsächliche Diversität der Funktionen berücksichtigen. So täuschen Wohnblöcke oder Einkaufszentren, Flexibilität und funktionale Diversität nur vor. Tatsächlich bieten Sie nur marginal differenzierten Funktionen und Nutzergruppen Raum. Die Gebäude befinden sich durch den hohen Ressourceneinsatz zur Planung, Bau und Betreib in zentraler Verwaltung, welche organisatorisch kaum in der Lage ist die Bedürfnisse des Einzelnen zu berücksichtigen, um durch maßstabsübergreifende Mit- und Umgestaltungsmöglichkeiten, die Identifikations- und Innovationsfähigkeit der individuellen Nutzer und Nutzer-Gemeinschaften zu bedienen.Strukturell und Gestalterisch bedingt diese Monopolstellung, ob dem effizientesten Einsatz der Ressourcen, riesige, die Umgebung dominierende Volumina mit wenig differenzierter äußere Gestalt und innerer Struktur. Diese Effizienz der Gebäude ist jedoch nur oberflächlicher Natur, da die Gebäude mit Blick auf bestimmte Funktionen optimiert und so nur wenig adaptionsfähig und schnell obsolet sind.Clusterwohngebäude oder Großstrukturen in denen Funktionen zu einem Konglomerat vereint werden, wirken zunächst atypisch und flexibel im Vergleich zu den Modellen Hilbersheimer. In Realität werden die Nutzer jedoch durch starre Eigentumsverhältnisse und eine, wenn überhaupt vorhandene, behäbige, inkonsequente und wenig innovative Reaktion auf sich ändernde Anforderungen, in tradierte Denkkonventionen gezwungen welche Ihre Lebens- und Arbeitswelt prägen.Letztendlich sind diese Strukturen auch „nur“ monofunktionale Blöcke im Gewand der Vielfältigkeit, ohne Raum für Entwicklung, Verwirklichung und zukünftige Umnutzungen zu bieten.
Individualität
Den kritisierten Systemen, der monofunktionalen Strukturordnung und der Monopolisierung der Gestaltungshoheit, als Ausdruck einer finanziell, politisch, ideell als auch emotional und gestalterisch erstarrten Ordnung soll das Modell der „Gemeinschaft der Individualität“ entgegengestellt werden. Es wird ein ökonomisch, ökologisch und programmatische tragfähiges Rahmenwerk von notwendigen Infrastrukturen entwickelt welches für die kleinteilige, partizipative und individuelle Adaption unbedingt in die Verantwortung der individuellen Nutzer gegeben wird, von denen es Ihren Bedürfnissen entsprechend ausgefüllt wird.
Mit Beginn des 19.Jahrhunderts hat die Demokratisierung, steigender Wohlstand und der technologische Fortschritt insbesondere durch Digitalisierung und größere Mobilität, den Zugang zu höherer Bildung, Freiheit bei der Wahl des Arbeits- und Wohnortes, ideologische Flexibilität sowie flexiblere Familienstrukturen ermöglicht. Dies forciert eine kontinuierliche Individualisierung der Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen. Der Individuellen Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeit wird, als unbedingtes Grundbedürfnis der zukünftigen Gesellschaft, im vorliegenden Entwurf höchste Priorität eingeräumt. Sie ist aktuell Voraussetzung für unser alltägliches Leben und zukünftig der Motor der zeitgemäße Lösungen für eine produktive Arbeits – und eine soziale, demokratische Lebenswelt ermöglicht. Dieser Individualisierung soll durch die nachfolgend beschriebenen Richtlinien, als zentrales Leitbild für die Stadtplanung, Raum geschaffen werden.
Zonierung
In einer zunehmend automatisierten Ökonomie und auf Sharing-Konzepten aufbauende Versorgung mit Mobilitätsinfrastruktur, sollen diese Funktionen am Rand der Stadt angesiedelt werden. Hier bieten vertikale Logistikhallen nicht nur den Raum für diese wirtschaftlichen Funktionen sondern dienen dazu, die Stadt zu umfassen und räumlich zu definieren. Hier dienen sie auch dazu, Verkehrslärm durch die Bundestraßen abzuhalten und einen Verkehrs-Knotenpunkt zu bilden wo Waren an- und abtransportiert, und Individual-Fahrzeuge gegen emissionsfreie Mietfahrzeuge eingetauscht werden können.
Den Körper des Areals bildet das definierte Raster in dem die Nutzer, die Funktionen Ihren Anforderungen entsprechend, programmatisch ansiedeln können. Es ist vorgesehen, vorwiegend durch Büros genutzte Gebäude am Rand des Quartiers anzuordnen. Diese Funktionen würden durch ein geringeres Maß an Interaktion der Nutzer im Stadtraum, der Belebung des Quartierzentrums widersprechen. Auch bedürfen diese Bürofunktionen einer möglichst kurzen Anbindung an die umliegenden Verkehrswege. Kommunikative, kreative und interaktive Tätigkeiten wie Handwerk, Dienstleistung und Wohnnutzungen werden als Ressource begriffen und im Zentrum des Gebietes konzentriert. Das Herz und Zentrum bildet ein Stadtplatz einer anzulegenden Wasserfläche. Dieser Kern des Areals dient als Iidentifikationspunkt und beherbergt mehrheitlich öffentliche Funktionen für Kultur, Bildung, Gastronomie und den sozialen Austausch.
Raster
Das Raster ermöglicht ein Höchstmaß an Effizienz ohne die Handlungs- und Gestaltungsautonomie der Nutzer zu beeinträchtigen. Es ist ein universales, demokratisches Element, welches allen Nutzern gleiche Chancen und Bedingungen bietet und darauf wartet individuell ausgestaltet zu werden. Das Raster ist so bemessen, dass Gebäudeeinheiten von 10m x10m errichtet werden können und zwischen diesen Höfe von 15m x15m entstehen. Diese Einheit ist klein genug um vielfältige, differenzierbare Nutzungen und Gestaltungen zuzulassen um dem menschlichen Maßstab zu entsprechen und groß genug um Infrastrukturen effizient zu errichten.
Fragmentierung
Das Raster und die Bau-Richtlinien sind so skaliert, als dass eine Vielzahl von individuellen Klein-Volumina entsteht. Diese Fragmentierung führt dazu, dass all die produktiven, kreativen, schöpferischen und kommunikativen Handlungen welche eine Gesellschaft lebendig und stimulierend machen in die Erdgeschosszone verlagert werden. Die omnipräsente Wahrnehmbarkeit und Zugänglichkeit von Gastronomie, Handwerk, Kunst, Kultur und Bildung erhöht den Anreiz, Waren und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen und dabei in Kontakt mit den Produzenten zu treten. Dies ermöglicht den „Einblick“ in das tägliche Leben der Gemeinschaft, in Verbindung mit einer geringen Gebäudehöhe soll dies die Nutzer dazu anregen sich durch die Straßen und Gassen zu bewegen, miteinander bei alltäglichen Handlungen auszutauschen, sich inspirieren zu lassen und die Arbeiten und Handlungen anderer bewusst wahrzunehmen. Die entstehende Durchmischung der Gesellschaft im öffentlichen Raum schafft gesellschaftliche Solidarität und Wertschätzung. Dies macht mögliche Synergien oder Veränderungspotentiale sicht- und nutzbar.
Dichte
Wie bereits von Emile Durkheim formuliert, wird eine Gesellschaft durch das sie verbindende Band von „Moral“ und „Solidarität“ definiert. Dichte ist für das Entstehen dieses „Bandes“ die Grundvoraussetzung.
Dichte wird maßgeblich durch das beschriebene Raster und die Bau-Guide-Lines erzeugt. In diesem Zusammenhang wird auch der Straßenraum definiert. Die 8m breiten Straßen beziehen sich auf die, vom menschlichen Auge erfassbaren, Gebäude-Ansichten welche eine Höhe von 10m besitzen. Dieses Verhältnis von 8:10 orientiert sich am menschlichen Maßstab, ohne ihn zu dominieren, schafft jedoch eine städtisch verdichtete Atmosphäre von Kommunikation und Lebendigkeit. Dieses Verhältnis von Körper zu Öffnung ist es, welches auch die Fußgängerbereiche von Zürich, Paris und Tokio so lebendig und anziehend macht. Die städtische Dichte wird dadurch weiter verstärkt, als dass schmalere Gassen die Fußgängerstraßen mit den Höfen zwischen den Gebäuden verbinden, dies schafft innerhalb des Rasters stete spannungsvolle Raumfolgen. Diese Wege und Gassen differenzieren nicht nur den Stadtraum sondern dienen ebenfalls dazu, eine hohe Aufenthaltsqualität in den Höfen durch Schallschutz, Belichtung und Belüftung herzustellen.
Die gewählten Methoden sollen nicht nur quantitativ eine „rechnerische“ Dichte erzeugen, die Verteilung der Funktionen in den einzelnen Bereichen, sowie die Platzierung mindestens einer Wohneinhaut auf jedem Büro-Gebäude erhöht die gefühlte Dichte, da einige, zu bestimmten Zeiten weniger frequentierte Bereiche, mit Leben und Aktivität angereichert werden.
Critique of Functional Separation and Monopolization of Space
Revolutionary changes have often been the catalyst for developing new guiding principles. The most influential guiding principle that dominated modern urban planning theories was the concept of structural order. The resulting city models separated by function, as advocated by figures like Ludwig Hilberseimer, have long failed to adequately account for the shifts in post-industrial society. The models developed with the aim of creating a diverse and stimulating city often share the limitation of insufficiently considering individual user participation and, therefore, the actual diversity of functions. Residential blocks or shopping centers, for example, falsely present flexibility and functional diversity. In reality, they offer space for only marginally differentiated functions and user groups. These buildings, due to the high resource investment in planning, construction, and operation, are under central management that is hardly capable of accommodating individual needs through cross-scale modification and transformation options, thus serving the identification and innovation capabilities of individual users and user communities. Structurally and aesthetically, this monopoly position results in enormous volumes with little differentiated external appearance and internal structure, despite the most efficient use of resources. However, the efficiency of these buildings is superficial, as they are optimized for specific functions and therefore lack adaptability and quickly become obsolete.
Cluster residential buildings or large structures that combine functions into conglomerates may initially appear atypical and flexible compared to Hilberseimer’s models. In reality, users are forced into traditional thinking conventions that shape their lives and work due to rigid ownership and, if at all, slow, inconsistent, and uninnovative responses to changing demands. Ultimately, these structures are “only” monofunctional blocks in the guise of diversity, without room for development, realization, and future reuse.
Individuality
The criticized systems of monofunctional structural order and the monopolization of design authority, as expressions of a financially, politically, ideologically, emotionally, and artistically stagnated order, are to be countered by the model of the “Community of Individuality.” An economically, ecologically, and programmatically sustainable framework of necessary infrastructure is developed, which must be entrusted to individual users for small-scale, participatory, and individual adaptation, to be filled according to their needs. Since the beginning of the 19th century, democratization, increasing prosperity, and technological progress, especially through digitization and greater mobility, have enabled access to higher education, freedom in choosing work and residence, ideological flexibility, and more flexible family structures. This forces a continuous individualization of the population or population groups. Individual development and design capability, as an unconditional basic need of future society, are given the highest priority in the present proposal. It is currently a prerequisite for our everyday life and in the future, the engine of contemporary solutions for productive work and a social, democratic living environment. This individualization is to be created through the guidelines described below as the central guiding principle for urban planning, creating space.
Zoning
In an increasingly automated economy and a supply of mobility infrastructure based on sharing concepts, these functions are to be located on the outskirts of the city. Here, vertical logistics halls not only provide space for these economic functions but also serve to encircle and spatially define the city. They also serve to shield traffic noise from the federal roads and create a traffic hub where goods can be transported to and from, and individual vehicles can be exchanged for emission-free rental vehicles. The defined grid in which users can settle their functions according to their requirements is the body of the area. It is intended to place buildings primarily used as offices on the outskirts of the neighborhood. These functions would contradict the revitalization of the neighborhood center and require a short connection to the surrounding traffic routes. Communicative, creative, and interactive activities such as crafts, services, and residential uses are seen as resources and are concentrated in the center of the area. The heart and center is formed by a town square with a planned body of water. This core of the area serves as an identification point and predominantly houses public functions for culture, education, gastronomy, and social exchange.
Grid
The grid allows for a high level of efficiency without compromising the autonomy of users in terms of action and design. It is a universal, democratic element that offers equal opportunities and conditions to all users and is waiting to be individually configured. The grid is designed in such a way that building units of 10m x 10m can be constructed, with courtyards of 15m x 15m between them. This unit is small enough to allow for diverse, differentiable uses and designs to correspond to the human scale and large enough to efficiently construct infrastructures.
Fragmentation
The grid and building guidelines are scaled in such a way that a multitude of individual small volumes are created. This fragmentation leads to the relocation of all the productive, creative, inventive, and communicative actions that make a society lively and stimulating to the ground floor zone. The omnipresent visibility and accessibility of gastronomy, craftsmanship, art, culture, and education increase the incentive to use goods and services and to interact with the producers. This allows for an “insight” into the daily life of the community, coupled with a low building height to encourage users to move through the streets and alleys, exchange everyday actions, get inspired, and consciously perceive the work and actions of others. The resulting mixing of society in public spaces creates social solidarity and appreciation. This makes possible synergies and potentials for change visible and usable.
Density
As already formulated by Emile Durkheim, a society is defined by the connecting bond of “morality” and “solidarity.” Density is the fundamental prerequisite for the formation of this “bond.”
Density is significantly generated by the described grid and building guidelines. In this context, the street space is also defined. The 8-meter-wide streets refer to the building views perceptible by the human eye, which have a height of 10 meters. This ratio of 8:10 is based on the human scale, without dominating it, yet it creates an urban atmosphere of communication and liveliness. This relationship between body and opening is what makes the pedestrian areas of Zurich, Paris, and Tokyo so vibrant and attractive. Urban density is further enhanced by narrower alleys connecting pedestrian streets with courtyards between buildings, creating continuous and dynamic spatial sequences within the grid. These paths and alleys not only differentiate the urban space but also serve to create a high-quality stay in the courtyards through sound protection, lighting, and ventilation.
The chosen methods are intended to not only quantitatively create a “calculation-based” density but also increase the perceived density through the distribution of functions in the various areas and the placement of at least one residential unit on every office building, as some less frequented areas at certain times are enriched with life and activity.