NEUES LUZERNER THEATER

Kollektives Gedächtnis

Die Bürger einer Stadt befindet sich in einem fortwährenden Transformationsprozess. Die gesellschaftlichen Veränderungen prägen die Menschen und die Menschen prägen Ihr Umfeld – ihr Milieu, um den veränderten Anforderungen der Gesellschaft Rechnung zu tragen. In einer ununterbrochenen Rückkopplungsschleife prägt die gebaute Umgebung wiederum die Menschen. Die Transformation der Gesellschaft und der Stadt ist notwendig, um die gemeinsam ausgehandelten Ideale des Zusammenlebens, gegenüber einer sich verändernden Lebenswirklichkeit zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Ein Fixpunkt dieser in der breiten Gesellschaft verankerten Ideale des Zusammenlebens sind konkrete, physische Orte in der Stadt.
Diese konkreten Orte sind in das kollektive Gedächtnis der Bürger eingeschrieben, indem Sie in der Vergangenheit erzielte Erfolge und den Fortschritt der Bürger als Kollektiv manifestieren, ebenso wie jeder Luzerner ganz persönliche Erinnerungen und Erfahrungen mit diesem Ort verbindet. Daher bedarf es bei der zwangsläufigen Transformation dieser Orte des kollektiven Gedächtnisses eines besonders sensiblen stadtplanerischen und architektonischen Umgangs.

Gerade der städtische Raum um das Luzerner Theater ist einer der wertvollsten Strukturen der Stadt, da er seit Jahrhunderten die Identität der Stadt prägt. Auch wenn es Zweifel an der architektonischen Qualität dieses Theatergebäudes geben mag, so ist es doch das Ergebnis einer Anpassung an die Veränderungen in der Stadtstruktur, und der Wert der alten Erinnerungen, die die Bürger teilen, kann nicht allein nach ästhetischen Maßstäben beurteilt werden. Dieser Plan schlägt vor, die äußere Erscheinung des bestehenden Theaters vollständig zu erhalten, während gleichzeitig durch zusätzliche Transformationen, die den neuen Anforderungen gerecht werden (wie zum Beispiel die Janusköpfigkeit mit zwei Fronten), die Schwächen des Gebäudes überwunden werden.

Collective Memory

The citizens of a city are in a continuous process of transformation. Societal changes shape the people, and people, in turn, shape their environment – their milieu – to adapt to the changing demands of society. In an ongoing feedback loop, the built environment, in turn, shapes the people. The transformation of society and the city is necessary to reevaluate and further develop the collectively negotiated ideals of coexistence in the face of a changing reality. Concrete, physical places in the city serve as fixed points for these ideals of coexistence deeply rooted in the broader society. These specific places are inscribed in the collective memory of the citizens as they manifest past achievements and progress of the citizens as a collective, just as every resident of Luzern connects personal memories and experiences with these places. Therefore, the inevitable transformation of these places in the collective memory requires a particularly sensitive approach in urban planning and architecture.
The urban space around the Luzerner Theater is one of the most valuable structures in the city because it has been shaping the city’s identity for centuries. Even if there may be doubts about the architectural quality of this theater building, it is the result of an adaptation to changes in the city’s structure. The value of the old memories shared by the citizens cannot be judged solely by aesthetic standards. This plan suggests preserving the external appearance of the existing theater while simultaneously overcoming the building’s weaknesses through additional transformations that meet new requirements, such as the Janus-faced design with two fronts.

Architektonische Idee der Theatererweiterung

Im Vordergrund des Umbaus steht funktional die Erhöhung der Besucherkapazität, die Möglichkeit differenzierte Darstellungsformen gleichzeitig sowie Gastronomiefunktionen anzubieten und moderne Theatertechnik in den Betrieb zu integrieren. In der Wahrnehmung der Bewohner Luzerns ebenso wie bei Besuchern soll das Theater in seiner Tradition als bemerkenswerter Kulturort auch gestalterisch neue Maßstäbe setzten, indem es sich als eigenständiger Bezugspunkt re-etabliert und einen Höhepunkt im Stadtgestaltungsplan für die Uferpromenade bildet ohne diese selbst oder die angrenzende Bebauung zu dominieren. Die größte Herausforderung besteht dabei in der Flächenverfügbarkeit. Einerseits sind für die geplanten Funktionen größere Flächen notwendig, als es das Theater aktuell bietet, andererseits soll der Theaterplatz als öffentlicher und gemeinschaftlicher Freiraum westlich des Theaters erhalten bleiben.
Der Entwurf antwortet auf die Aufgabenstellung dahingehend, als dass drei Interventionen zusammen die gestellten Anforderungen erfüllen:

1 soll das Bestandsgebäude erhalten jedoch in der Gebäudehöhe erweitert werden
2 soll auf dem Theaterplatz ein begehbares „Plateau“ entstehen welches ein Sockelgeschoss beinhaltet
3 soll ein filigraner Pavillon als zusätzliches Gebäude auf dem Plateau entstehen

Ein weiterer Schwerpunkt der architektonischen Überlegungen ist der Umgang mit dem Bestandsgebäude, welches in der Vergangenheit bereits diverse Um- und Anbauten erfahren hat, woraus unter anderem die charakteristische Janusköpigkeit mit zwei Fronten resultierte. Diese zeichnet die kontinuierliche Veränderung der Stadt und der städtischen Infrastruktur nach und soll als Zeichen dieser Entwicklung erhalten bleiben.
Im Gegensatz zu einem Rückbau des bestehenden Theaters mit einem Neubau auf der Fläche des Theaterplatzes sollen die bestehenden Qualitäten erhalten und erweitert werden, ohne den Charakter und die Funktion des Ortes so zu überformen, als dass dieser sich erst erneut in der kollektiven Wertschätzung etablieren muss.
Das differenzierte Volumen mit dem weiterhin begehbaren Theaterplatz passt sich in das städtebauliche Konzept der Stadt Luzern ein, indem dieser Bereich besonders für Fußgänger- und Radfahrer attraktiv sein soll. Besonders das begehbare „Plateau“ als Theaterplatz bietet die Chance in dem Areal um die Uferpromenade und die Jesuitenkirche ein neues Zentrum für die Öffentlichkeit zu etablieren. Von hier wird der Blick über die Reuss und die Altstadt auf der nördlichen Flussseite gelenkt und der Bahnhofstraße einen angemessenen Schlusspunkt gegeben.

Architectural Idea of The Theater Expansion

The primary focus of the renovation is to increase the visitor capacity, offer diverse presentation formats simultaneously, provide gastronomic functions, and integrate modern theater technology into the operation. In the perception of Luzern’s residents as well as visitors, the theater should, in its tradition as a remarkable cultural venue, set new standards in terms of design by re-establishing itself as an independent reference point and forming a highlight in the city’s urban planning for the riverside promenade without dominating it or the surrounding buildings. The biggest challenge in this regard is the availability of space. On one hand, larger areas are required for the planned functions than the current theater offers, but on the other hand, the Theaterplatz should be preserved as a public and communal space west of the theater.
The design responds to the task by fulfilling the specified requirements through three interventions:

1 The existing building should be preserved but extended in terms of building height.
2 A walkable “plateau” should be created on the Theaterplatz, including a ground floor.
3 A pavilion will be built as an additional structure on the plateau.

Another key focus of the architectural considerations is how to deal with the existing building, which has undergone various alterations and additions in the past, resulting in the characteristic janus-faced façade. This façade traces the continuous changes in the city and urban infrastructure and should be preserved as a symbol of this development. In contrast to demolishing the existing theater and constructing a new one on the Theaterplatz, the aim is to preserve and expand upon the existing qualities without overly reshaping the character and function of the place, so that it doesn’t need to establish itself again in collective appreciation. The differentiated volume, along with the still accessible Theaterplatz, aligns with the urban planning concept of the city of Luzern, making this area particularly attractive for pedestrians and cyclists. The walkable “plateau,” in particular, as a theater square, offers the opportunity to establish a new center for the public in the area around the riverside promenade and the Jesuit Church. From here, the view is directed over the Reuss River and the old town on the northern bank, providing an appropriate conclusion to the Bahnhofstrasse.

Model Design: Craft by Creatives / René Marx & Marian Horstmann